Texte
Dr. Rainer Beßling (Twistringen)
Himmelwiesen und Wälder
Redetext zur Ausstellung im Kunstverein Wassermühle Lohne, 2021
Katharina Ismer. Himmelwiesen und Wälder
Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! Bertolt Brecht veröffentlichte diese Zeilen im Jahr 1939 in seinem Gedicht „An die Nachgeborenen“.
Die Frage, was das für Zeiten sind, stellen wir uns gerade auch. Allerdings kommt ein Gespräch über Bäume nicht mehr dem Verschweigen von Untaten gleich. Vielmehr thematisiert es Untaten. Am Zustand der Bäume lassen sich die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Folgen des Klimawandels ablesen. Am Wald zeigt sich das Doppelgesicht der Natur und unseres Umgangs mit ihr. Leben und Sterben, das Umarmen von Baumstämmen in der Waldtherapie am einen und die forstwirtschaftlich motivierte Abholzung am anderen Ende der Nutzung. In der Pandemie ist der Wald hierzulande auch wieder ein Erholungsort geworden. Ein Rückzugsbezirk war er schon immer, seit der Mensch ihn begehbar gemacht und von seinen Schrecken befreit hat. Revier für Zivilisationsflüchter und Gesellschaftsüberdrüssige, ein Ort der Märchen und Mythen, ein Quellgebiet der Instinkte, ein metaphorisches Terrain für die Abkehr von der modernen Kultur, die den Menschen von der Natur und von seiner Natur entfremdet hat.
Die Präsentation von Katharina Ismer ist Teil einer Reihe von Ausstellungen in der Wassermühle Lohne, die sich mit der Bildgattung Landschaft beschäftigen. Wir begegnen darin Themen, die Künstlerinnen und Künstler vieler Epochen mit dem Gegenstand verbinden. Die Landschaft als Ort der Besinnung und der Erfahrung, aber auch als unverzichtbarer Bezirk der schöpferischen Impulse, als Quelle des formalen und farblichen Repertoires der Künste. Es scheint, als böten gerade der Wald und auch Wiesen und Felder aus ihren eigenen Strukturen heraus bildnerisches Material. Die Vertikalen der Stämme, die Gewebe der Astkronen, das streuende Licht durch das Laub, das reiche Farbenspiel, die Analogien, Kontraste und Korrespondenzen der vielfältigen Pflanzenformen, die wie ein Netz die einzelnen Phänomene verknüpfen. Nicht zuletzt das Zusammenspiel von Hell und Dunkel in Lichtungen und dichtem Blattwerk, so wie auch Bilder koloriert und modelliert sind.
Unser Blick auf die Landschaft ist nicht nur von der äußeren Natur, sondern auch von Landschaftsdarstellungen geprägt, von literarischen Schilderungen, von Erzählungen, die das Mythische, Märchenhafte, das Abgründige wie auch das Erkenntnis und Bewusstsein fördernde Erlebnis des Waldes zur Sprache bringen, zwischen Realismus und Verklärung, Staunen und
Erforschen. Katharina Ismers Malerei knüpft an diese Tradition an. In ihren Bildern ist die Landschaft als visuelles Ereignis vor unseren Augen nachzuerleben. Zugleich wecken die Darstellungen unsere inneren Bilder von der Natur um uns und in uns selbst, gespeist aus der Motorik des Waldgangs, den Gerüchen des Bodens und der Blätter, des besonderen Klimas und der vielfältigen Klänge im Luftstrom der Laubkronen. In ihren Bildern sehen und empfinden wir mit allen Sinnen Vertrautes, in der malerischen Transformation allerdings gänzlich Neues. Gerade diese Verwandlung und Verbindung bringen uns die Darstellungen der Malerin auf intensive Weise nahe. Dabei lässt sich bei ihr ein ganz eigener Zugriff auf das Thema finden.
Der Lebensraum des Waldes ist Katharina Ismer von Kindheit an vertraut. Sie fühlt sich mit ihm verbunden, lange bevor sie mit geschultem künstlerischen Blick darauf schaut. In ihrer Malerei sind all die frühen intuitiven, unbewussten oder besser unterbewussten Eindrücke enthalten. Alles was sie malt, geht auf Gesehenes, vor allem auf Empfundenes zurück. Erinnerung ist das Wachrufen einer schlummernden Erzählung, aktualisiert mit Vergessen und Verschieben, eine Mischung aus Fiktion und Fakt, Protokoll und Projektion. Diese innere Geschichte entzündet sich meist an Impulsen von außen. Die künstlerische Transformation knüpft daran an und dreht das Rad der Legendenbildung weiter. Diese Legenden besitzen eine eigene Wahrhaftigkeit jenseits empirischer Belege.
Viele Schichten neuer Erfahrungen und Erlebnisse kommen im Laufe der Jahre dazu. Sie überschreiben die alten nicht, sondern schreiben sich auf zusätzlichen Ebenen ein. Der Hinweis auf die Biografie der Malerin soll nicht bedeuten, dass die Bilder ein Spiegel der Autorin seien. Vielmehr sind sie Fenster, Reflex und Projektionsfläche für Imaginationen zugleich. Genau das sind sie auch für das Publikum, bei dem das Malen fortgeschrieben wird und das Bild mit den Erfahrungen, Emotionen und Sehgewohnheiten der Betrachtenden eine weitere Dimension erhält. Dank der Intensität und Leichtigkeit der hier präsentierten Malerei, wirkt ihre Betrachtung wie die Parallelaktion zu einem Waldgang, auf dem sich das Sehen den Wachstumszyklen und Rhythmen der Natur angleicht und die Dinge selbst zu sprechen beginnen.
An den Titeln der Bilder, die in dieser Ausstellung versammelt sind, lassen sich unterschiedliche Werkgruppen ablesen. In ihnen sind nicht nur verschiedene Facetten des Gegenstands, sondern auch der Wahrnehmung und des künstlerischen Zugangs zu erkennen. Ich möchte versuchen, Ihnen anhand einiger weniger ausgewählter Aspekte Zugänge zum Werk der Malerin zu eröffnen.
Der erste Gesichtspunkt mag bloß formal anmuten, doch es lässt sich an ihm Inhaltliches erschließen. Gemeint ist das Format der Exponate. In den kleineren Größen erscheint das Motiv wie ein einzelner Gedanke. Es entsteht der Eindruck von Verdichtung und Öffnung zugleich: alles wirkt bereits grundgelegt und enthalten. Wie ein Aphorismus, der ein ganzes Buch in sich birgt. Die größeren Leinwände erweitern die Szenerie und agieren mit mehreren Protagonisten. Hier bietet sich ein anderes Raumerlebnis und ein anderes körperliches Verhältnis der Betrachtenden zum Bildobjekt an. Aber nicht nur die Größe spricht in diesen Landschaftsbildern mit.
Anfangs hat Katharina Ismer nahezu ausschließlich im Hochformat gearbeitet, abweichend vom Querformat, das für die Landschaftskunst traditionell üblich ist. Im Hochformat vermittelt sich der ästhetische Zugang der Malerin zum Motiv: Das Landschaftsbild ist für sie ein Porträt. Sie fasst ihr Gegenüber körperlich auf und präsentiert es so für einen Dialog, für eine visuelle Aufnahme mit Abstand, aber auch als körperliches Entgegenkommen mit Empathie. Häufig kamen bei ihr früher auch Quadrate zur Anwendung, in denen das Bildgeschehen in alle Richtungen über die Ränder hinausweist. Während im Hochformat die Landschaft eher auf sich selbst bezogen und in sich zurückgenommen auftritt, öffnet sie sich in den späteren Querformaten als ein Panorama, in dem der Blick unterwegs bleibt.
Katharina Ismers Landschaftskunst weist den Betrachtenden keinen souveränen, ja nicht einmal einen bestimmten Standpunkt zu. Wir sind in einen körperlichen Dialog involviert. Wir müssen unseren Standpunkt im doppelten Wortsinn suchen, vor dem Bild, im Bild. Wir bleiben nicht bloß Betrachtende, sondern werden Teil des Bildes, Teil der Landschaft, selbst Natur in der Natur. Nicht nur die Landschaft wird zum Porträt, unser Blick darauf porträtiert auch uns. Er zeigt uns, welches Bild wir uns gemacht haben, welches wir in uns tragen, welches wir im Sehen dem Sichtbaren überstülpen.
Bei der ersten Begegnung mit den Bildern von Katharina Ismer richtete sich meine Aufmerksamkeit spontan auf die Farbigkeit. Das Sujet ist mir vertraut, die Landschaftsmalerei interessiert mich schon lange. Doch dieses Kolorit besitzt eine Eigenständigkeit und einen Eigensinn, der aufblicken lässt. Jedes einzelne Bild vermittelt einen spezifischen Klang, zugleich durchzieht das gesamte Werk ein bestimmter Sound. Er setzt sich aus vielschichtigen subtilen Kontrasten zusammen, aus offenen, aber stimmigen Korrespondenzen. Es entsteht nicht der Eindruck strategischer, theoriebasierter Farbverbindungen. Vielmehr zeigen sich subtile Abstimmungen, die auf Intuition basieren, die neue individuelle Bildwelten
ermöglichen, die auf sich selbst verweisen und zugleich in der Betrachtung weitergeschrieben werden können. Die Farben geben nicht nur das Gesehene wieder, sondern erzählen vom Sehen selbst, sich vom Gegenstand ablösend, spiegeln sie Wahrnehmungsqualität.
Es finden sich festere, dichtere, geschlossenere Farbformen in den körperhaften Bezirken der Bilder, die sich einem eher tastenden Auge anbieten. Daneben liegen leichtere, lichtere und luftigere Regionen, die das optische Erfassen der visuellen Ereignisse ansprechen. Beide Farbwelten kontrastieren, korrespondieren und tauschen sich aus. Sie könnten für die in der Landschaftsdarstellung aufgerufenen Pole Himmel und Erde stehen, für Licht und Körper, für Atmosphäre und Stofflichkeit.
Die beschriebenen Farbwirkungen lassen sich auf die Farbmaterialien zurückführen. Die Künstlerin verwendet Tusche und Ölfarbe, erzielt also mit Lasuren Transparenz und Leichtigkeit, während der Auftrag des Öls dinghafte Festigkeit formuliert. Damit kommen zwei Wirklichkeiten und zwei Wahrnehmungsweisen im Walderlebnis zum Ausdruck: die Begegnung mit der massigen und dichten Vegetation und das Erspüren der Atmosphäre, die aus dem Zusammenspiel materieller und immaterieller Elemente und der Ansprache verschiedener Sinne entsteht. Das Materielle erhält einen immateriellen Nimbus. Die Farben dienen nicht der erobernden, beherrschenden Identifizierung der Dinge, sondern bewegen sich staunend und tastend auf sie zu. Das Ungreifbare der Gegenstands setzt sich in seiner Farbigkeit fort, die nicht offensiv ins Auge springt, es nicht erobert, sondern vom Auge berührt werden will. Es sind Farben, die nicht behaupten, den Gegenstand vollständig erfasst zu haben, sondern die davon sprechen, wie Annäherung und Entfernung, Begreifen und Ergriffensein wechselseitig aufeinander wirken. Das Stoffliche des Sichtbaren und das Immaterielle des empfindenden Sehens, die atmosphärische Räumlichkeit spielen zusammen
Das Kolorit macht anschaulich, dass es in den Bildern nicht um eine naturalistische Annäherung an vorgefundene oder mit den Gegenständen konventionell verknüpfte Farben geht. Die Farben artifiziell oder ästhetisch zu nennen, könnte falsch verstanden werden. Der Begriff „künstlich“ könnte im Sinne von verfälscht fehlinterpretiert werden. Ich verstehe ihn im Sinne eines Blickergebnisses, das zu einem eigenständigen Bildereignis wird. Katharine Ismer verweist auf die Komplexität der Farbigkeit, an der viele Komponenten mitwirken. Im Wechsel des Lichts zeigen sich die Lokalfarben immer wieder neu. Die Wahrnehmung selbst unterliegt dem Wandel. Die Farbwirkung reicht über die Grenzen der Gegenstände hinaus und mischt sich mit den Nachbarfarben. Der Blick der Künstlerin ist nicht neutral oder objektiv.
Erinnerungen an Farben spielen in die Betrachtung hinein, Farben aus anderen Erfahrungsbereichen und Medien kommen hinzu, subjektive Vorstellungen von Farbklängen beeinflussen die Wahrnehmung.
Dazu befragt, sagt Katharina Ismer, dass sie mit ihren Farbimaginationen auf die Natur schaut, um Bestätigung finden oder Erweiterung und Verfeinerung der Palette durch Zwischentöne und Nuancierungen. Schließlich verlangt die Logik des Bildes selbst ästhetische Entscheidungen. Und die Subjektivität der Bildautorin agiert: ihr besonders markantes Hell-Grün oder die vielfältigen Blau-Töne. Damit entfernt sich das Bild von aktuell gesehenen ebenso wie von den erinnerten Farben. Doch in dieser Malerei wirken die außerbildlichen Bezugspunkte genauso wie die bildimmanenten Vorgänge erkennbar und anschaulich weiter. Keine Autonomie ohne Herkunft. Das macht die Bilder ebenso wirklich wie wahrhaftig, lebendig wie ästhetisch.
Die Künstlerin selbst ist eher überrascht, dass ihre Farben manche Betrachtenden so besonders erscheinen. Für sie sind alle ihre Farbtöne in der Natur enthalten. Wenn man der Malerin dann aber bei ihrer Schilderung der Blütenfarben einer profanen Nutzpflanze zuhört, wie sie behutsam nach den passenden Worten fahndet, dann kann man ahnen, welch einer Seherfahrung und vor allem Sensibilität für die Sinnlichkeit des Kolorits es bedarf, um diese luzide schwebenden und doch unmittelbar aufschlussreichen und anschlussfähigen Farben so facettenreich ins Bild setzen zu können.
Nach Format und Farbe möchte ich auf die Ordnung der Bilder, also auf die Struktur des Dargestellten und die Komposition zu sprechen kommen. Verschiedene Grundformen sind erkennbar: Dichte Baumreihen, die sich absperren und den Blick abweisen, Geflechte und Gewebe, die in offenen Bezirken Durchsichten auf diffuse Lichtungen erlauben. Und schließlich ein Zusammentreffen gewachsener organischer Vegetation mit konstruktiven Elementen, wie sie aus der agrarischen Nutzung der Landschaft ablesbar sind. Diese konstruktiven Zeichnungen speisen sich auch aus Architekturen, die Katharina Ismer während der Studienzeit in Berlin zum Gegenstand ihrer Bilder gemacht hat. Waldraum und Stadtraum, Wildwuchs und rechte Winkel stehen sich in ihren formalen Eigenheiten gegenüber oder gleiten ineinander. In allen Werkvarianten herrscht nie ein einheitliches Bild. Vielmehr ist auch die formale Anlage durch Ambivalenzen geprägt.
Mit der Begegnung figurativer und abstrakt geometrischer Anteile in den Landschaften treffen eine (kultivierte) "Natur" und unsere gedankliche Verarbeitung des Gesehenen zusammen. Es entsteht eine offene
Korrespondenz, die in Kontrasten als visuelle Spannung bestehen bleibt. Als dritte Komponente finden sich gestische Anteile, die den künstlerischen Zugang und die sinnliche Wahrnehmung markieren. Die Vermessung der Landschaft in geometrischen Formen stellt einen objektivierenden, einordnenden Zugriff von außen dar. Die informelle Ebene spiegelt eine eher einfühlende Betrachtung des Individuellen, Singulären im Naturbild, das sich gegen ordnende Formen und Formeln sperrt. An die Landschaft tragen wir Kultur als Ordnungsinstrument gemäß unserer eigenen Zwecke heran. Wir verformen und konstruieren Landschaft zu einem beherrschbaren Objekt, einem Blick entsprechend, an dem unzählige normierende Einordnungen und Projektionen haften. Diese Grundformen sind die Bauteile unseres bildlichen Narrativs Landschaft, das sich aus vielen Medien und Sprachen, aus Erlebnis und Fiktion, aus Überlieferung und aktueller Debatte speist. Mir scheint, dass sich viele dieser Diskurse an die Bildwelten von Katharina Ismer anschließen lassen.
Im Zusammentreffen organischer Räume und geometrischer Formen werden auch verschiedene Wahrnehmungsweisen thematisiert. Die sichtbare Oberfläche der Landschaft weitet sich in eine gedankliche Tiefe. Neben die Darstellung des Gesehenen rückt die Konkretisierung von Gedachtem und die Materialisierung von Empfundenem. In der Betrachtung lässt sich nachvollziehen, wie das Bewusstsein dem Blick folgt, wie es das Visuelle erfasst und zugleich durchdringt und wieder verlässt, ein stetes Pendeln zwischen den sinnlichen Eindrücken und einer Sinngebung durch Gestaltung. Die Malerin macht damit auch ihr Suchen und Erinnern und die Versuche zur Umsetzung des Gesehenen und Empfundenen in Farbe und Formen nachvollziehbar. „Das Nichtsichtbare ist malbar“ - so lautet ihr Credo. Die malerische Sprache pendelt zwischen Bild und Begriff, geht mit den ihr eigenen Mitteln über das Visuelle hinausgehen. Sie schafft stoffliche Impulse, an denen sich geistige Vorgänge entzünden, sie übersetzt Abstraktes in eine figurative Konkretion. Sie trägt Ordnung in das Chaos des natürlichen Wucherns und in die unüberschaubare Komplexität des Waldgeschehens. Dabei bleiben die Flächenformen und Körper fließend und offen. Die Konturen bilden Schwellen im Austausch mit dem Raum. Mit Geometrie und Gestalt korrespondieren Geste und Gefühl. In der Anbahnung einer neuen bildbeförderten Bekanntschaft mit der fremd gewordenen Natur werden die Oberflächen gelüftet, doch zugleich bleiben ihre Geheimnisse gewahrt.
Eine eigene Werkgruppe stellen die genannten „Nachfahrten“ dar. Der mit der hiesigen Region vertraute Autofahrer dürfte schnell bekannte Anblicke erkennen. Die Feldformationen in ihrer streng geometrischen Ordnung, um
den Boden rational und effizient für die Mechanik der landwirtschaftlichen Fahrzeuge und deren digital gestützte Steuerung benutzbar zu machen. Zugleich rücken die alles dominierenden, den Landschaftsraum zerschneidenden Flügel der Windkraftanlage übergroß in den Vordergrund. Die ökologisch durchaus sinnvollen erneuerbaren Energien zeigen sich hier als visuelle Störfälle im Landschaftsbild, ganz abgesehen von dem akustischen Sondermüll, den sie produzieren. Das Linienspiel der Rotoren verweist die klassische Horizontlinie ins Museum. Hinzu kommen in diesen Bildern die Farben der Nacht, die an romantische Stimmungen erinnern, die sich aus Schrecken und Schönheit gleichermaßen speisen.
Diese in Katharina Ismers Bildern aufgegriffenen Landschaftsansichten hat kein nächtlicher Spaziergänger eingefangen, das ist die Blickbeute aus der Fahrt mit dem Auto, dem gegenwärtig wohl gängigsten Modus alltäglicher Naturerfahrung. Die Darstellungen versetzten die Betrachtenden in die Rolle imaginärer Bildprotagonisten, die als Terranauten wie in einer Raumkapsel auf der Landstraße gleiten, die Erde vor sich wie ein naher ferner, fremder Planet. Visuellen Kontakt nimmt er mit ihr in einer Illusion der Nähe durch die Fahrzeugscheiben auf, Schnittstellen wie Bildschirme, die zugleich trennen und verbinden. Die Bilder lassen tatsächlich auch das Tempo der Fahrten spüren, das Tempo, das den Raum verkürzt, das Räume und Flächen zusammenzieht und einebnet, das keine Zeit und keinen Raum für die Identifizierung der einzelnen Elemente bietet und lässt.
In dieser Einebnung in abstrakte flächige Monochrome wird alles Singuläre überblendet, unserer Beachtung entzogen. Die Beschleunigung bildet sich im eingeebneten, abstrahierten Raum ab. So gewöhnen wir uns an Landschaften als hocheffizient zugerichtete Außenanlagen für unsere Bedürfnisbefriedigung, ob das nun Nahrung, Erholung oder auch die Produktion von Naturerzählungen betrifft.
Katharina Ismers Wald- und Wiesenbilder - und hier ist die Alliteration ganz und gar nicht als abschätzige Metapher für Gewöhnliches gemeint - sind in allererster Linie ein ästhetisches Erlebnis. Sie sprechen als Malerei an, mit originären malerischen Mitteln. Aber sie setzen auch Denken frei und schärfen den Blick für Lebens- und Wahrnehmungsbereiche, denen wir allzu oft nicht genügend inspirierte Aufmerksamkeit widmen. Wenn die Künstlerin heute auf Naturschauplätzen Heimat und Herkunft erinnert und die Qualität dieser Erinnerungen und Rückblicke in Form und Farbe fasst, dann entsteht ein in Staunen und Bewundern, in Spiel und Fantasie getränktes Bild. Ein BIld, das auch an das Walderleben und -empfinden früherer Epochen angeschlossen werden kann.
Wald ist Geborgenheit, aber auch Gefahr, Schutzraum und offene Wildnis ohne Anker und Leitplanken. Hier herrschen die Gesetze der Natur mit all ihren Kontrasten und Widersprüchen, eine Freiheit ohne Versicherung, Ursprungsmythen und Untergangsvisionen. Hier lässt sich die Dynamik ausufernden Wachstums auffinden, Prozess und permanente Veränderung, schöpferischer Elan bis in die kleinsten Wesen.
Wald und Lichtung, Dunkel und Erhellung, Trübung und Transparenz.
In reinen, hellen, leuchtenden Tönen nimmt die Künstlerin das bildgebende Blühen der Natur auf, ihren schöpferischen Kräften stellt sie die künstlerische Kreation als Parallelaktion zur Seite. Ihre Bilder repräsentieren den Wald nicht, sie bringen seine Präsenz zum Ausdruck. Die Malerin lässt Kräfte, Energien und Gewichte agieren, beschreibt ein Kreisen und Oszilieren, folgt Spuren und Einprägungen bis in die Reaktionen und Affekte der Betrachtenden hinein.
Katharina Ismer illustriert keine Dystopien zum Schicksal der Natur, sie formuliert keine Manifeste gegen die Zerstörung der Lebenswelt. Und dennoch besitzt ihre Kunst einen eminent politischen Kern. Sie gibt uns eine Ahnung von der potenziellen Intensität unserer Wahrnehmung zurück. Sie stellt uns den faktischen und fiktionalen Reichtum der Natur vor Augen, bevor wir sie mit der Optik der Zweckrationalität zurechtgestutzt haben. In ihren Bildwelten scheinen die Macht und die Möglichkeiten der Mythen und Metaphern auf, ohne die wir unserem Leben kaum einen tiefer verwurzelten Zusammenhang und Zusammenhalt verleihen können. Hier führt uns das sinnliche Vergnügen zu einem Sinn über die bloße Funktion hinaus. Wenn der Wald aufhört Plantage zu sein, können wir in ihm vielleicht auch wieder unserer eigenen Natur näher kommen.
Dr. Rainer Beßling (Redetext)
Petra Lehmkuhl, 2015
Katalog
Der Wald vor Lauter Bäumen
Spektakel und Stille/Spectacle and Silence
& english version
Spektakel und Stille
Es ist ja Frühling. Und der Garten glänzt
vor lauter Licht.
Die Zweige zittern zwar
in tiefer Luft, die Stille selber spricht,
und unser Garten ist wie ein Altar.
Rainer Maria Rilke
Katharina Ismer ist eine Künstlerin, die den Wald malt.
Bäume und Sträucher sind Sujet auf riesiger Leinwand, im kleinsten Format und auf Papier. Insbesondere auf Papier arbeitet sie auch mit Collage. Außerdem unternimmt Katharina Ismer immer wieder Ausflüge in die Installation, es entstehen raumbezogene Arbeiten, auch Außenskulpturen, die mit Holz aber zumeist mit Fäden funktionieren, die dann fast zeichnend Formen wie Brücken oder Häuser schaffen.
In ihrer Malerei sind doch immer Äste auszumachen, die in der Gesamtkomposition ergänzt werden durch Flächen, Streifen, Striche, Punkte, Spritzer. So bewegen sich ihre Arbeiten zwischen Abstraktion und Figuration.
Mit den Flächen schafft sie Raum für Räume, erschafft Dimensionen. Immer wieder tauchen auch transparente Flächen auf. Verweisen sie einerseits auf den Prozess der Malerei, könnten sie doch auch Vorläufer oder Platzhalter sein eines anderen Elements. Sie lassen den Betrachter vollkommen im Dunkeln tappen und sind doch auch Wegweiser im amorphen Geäst und geben Struktur.
Die von der Künstlerin gewählten Titel sind unprätentiös und scheinen keine Geheimnisse zu bergen: „Waldlichter“, „Birkenlaub“, „Waldweg“, nur manchmal deutet sich an, dass es um ein Gefühl geht, die Darstellung einer Empfindung jetzt oder damals. Zu nennen wären hier Titel wie: „Es riecht nach Schnee“ „Du hast den Schatz gefunden“ „Wanderung zwischen den Welten“ „Kalte nasse Füsse“.
Die Farben der Arbeiten Katharina Ismers sprechen eine deutliche Sprache und führen uns ein wenig fort von der Innerlichkeit ihrer Malerei. Farbigkeit und Lichttemperatur lassen stets keinen Zweifel über die Jahreszeit oder Tageszeit aufkommen. Sie lassen sich lesen wie einen verlässlichen Wetterbericht oder einen Kalender. Der Betrachter hat die Gewissheit, dass es sich um den einen ganz bestimmten Moment handelt.
Faszinierend ist die Genauigkeit in den Arbeiten Katharina Ismers. Wir haben es hier mit einer Künstlerin zu tun, die sich als Expertin mit ihrem Sujet beschäftigt. Sie weiß um die Beschaffenheit der einzelnen Bäume, sie ist eine exzellente Kennerin nicht nur der Flora ihrer Heimat, sie setzt Farbe mit einer atemberaubenden Präzision ein, als teilte sie uns den genauen Moment mit und lässt uns doch so im Unklaren. Doch ist man sicher, dass alle von der Künstlerin gemeinten oder für wichtig erachteten Elemente da sind, jeder Ast, jedes Blatt. Nur hat sie es mit der Verbindung der Elemente, der Anordnung nicht so ernst genommen. Sie hat sie anders arrangiert und eine neue Wirklichkeit geschaffen.
In der Form arbeitet sie wieder akkurat; trotz der scheinbaren Impulsivität, die man glaubt in der Expressivität zu erkennen, sind die Arbeiten dominiert durch eine exakte Konstruktion, durch das konsequente Anwenden eines Konzepts. So wundert es nicht, dass sie in Pinselstrich und Farbgebung Anregung findet bei Alten Meistern wie Botticelli oder Poussin.
Katharina Ismer arbeitet meist mit Öl, Acryl und Tusche auf Leinwand. Oft finden sich massiv anmutende Flächen, dann wieder Striche, Bänder, die nur hauchdünn über der Landschaft zu schweben scheinen. Die Kompositionen suggerieren Räumlichkeit, geben einem fast das Gefühl weit über der Landschaft zu schweben, als möchte sie dem Betrachter und sich die Möglichkeit geben, den Überblick über die verwirrenden Wege der Äste und Sträucher zu gewinnen. Als möchte sie Klarheit bringen wollen, Ordnung in etwas, was sich eigentlich jeglicher Geometrie entzieht.
In Arbeiten wie „Grünstreifen“ (Frühling) von 2014 oder Bordstein (Frühling) von 2014 fasziniert die Lichtgebung durch das Setzen von Akzenten als gelbe, rötliche Punkte. Das entstandene Kolorit, beide Mal, unterstützt durch sich kreuzende Äste, im Bild zentriert, scheinen einerseits ein Feuerwerk, lodernde Flammen zu sein und anderseits eine perfekte Ruhe auszustrahlen.
Vielleicht lässt sich so die Faszination der Malerei von Katharina Ismer erklären, der Sog, der von ihren Bilder ausgeht, einen gar ins Geäst ziehen will: das Gleichgewicht von Spektakel und endloser Ruhe, dass sie, genau wie der Wald, die Natur schlechthin, zeigt.
Als sei jedes Bild von ihr ein Beet, dass sie auf fruchtbarem Boden, geplant, gepflegt, geschaffen hat und selbst wenn es Morgen ist, neblig, kühl und feucht und der Betrachter die nassen, kalten Füsse schon fast spüren kann, so sieht er sich umgeben von Anmut und Grazie der üppigsten Gärten.
English Version
Spectacle and Silence
It is spring. And the garden gleams
sheer light.
Although the branches tremble
in deep air, the silence speaks,
and our garden is like an altar.
Rainer Maria Rilke
Katharina Ismer is an artist who paints the forest.
Trees and bushes are the subject on huge canvas on smallest format and on paper. She also works with collage, in particular on paper. Moreover, Katharina Ismer enjoys doing excursions into the installation where spatial works emerge, as well as outdoor sculptures which go together with wood and even better with strings and almost establishing forms such as bridges and houses.
Branches are complemented in the overall composition of surfaces, stripes, lines, points and flashes, and they are identified in her paintings.
Her works range between abstraction and figuration.
She creates space for rooms, creating dimensions. Transparent surfaces show up over and over again. On the one hand they point the process of painting, and yet there could be the precursors or placeholders of another element. They allow the viewer to fall completely in the dark, and yet are indicators in the amorphous branches and give structure.
The selected titles by the artist are unpretentious and seem to bear no secrets: “Forest lights”, “Birch leaves”, “forest path”, only sometimes it is indicated that it involves a feeling of the representation of a special sensation now and then.
Important are titles such as: “It smells snow”, “You found the treasure”, “A walk between worlds”, “Cold wet feet”.
The colours of Katharine Ismers’ works speak for themselves and lead us somewhat away from the interiority of her painting. Colour and light temperature do not create any doubts as to the time of the year or time of day. They can be read as a reliable weather forecast or a calendar. The viewer has the certainty that it is about a very special moment.
The accuracy in Katharina Ismers’ works is fascinating. We are dealing with an artist who is engaged as an expert with her subject. She knows about the nature of the individual trees, she is an excellent connoisseur, not only of their native flora. She sets colour with a stunning precision, giving us the right moment, yet leaving us with uncertainty. We are sure that all intended or considered by the artist are important elements, every branch, every leaf. Indeed, she did not take the compound of the elements of the arrangement seriously. She has arranged them differently and created a new reality.
She works with the form accurately. Despite the apparent impulsiveness that one believes to recognise in the expressiveness, the works are dominated by an exact design, through the consistent application of a concept. It is no surprise that she finds excitation at old masters such as Botticelli or Poussin through brushstroke and colour.
Katharina Ismer works mostly with oil, acrylic and ink on canvas. They are often solid-looking surfaces, then dashes and bands that seem extremely thin floating above the landscape. The compositions suggest spatiality and give one almost the feeling to float above the landscape, giving the viewer and oneself the opportunity to gain an overview about the confusing way of branches and shrubs. She would like to bring clarity, order in something that actually defies any geometry.
In her works Grünstreifen, Frühling - green area, spring from 2014 or Bordstein, Frühling kerbstone springfrom 2014, the lighting is being fascinated by setting accents such as yellow, reddish spots. The resulting colour, both supported by intersecting branches and centred in the painting appear to be on the one hand a firework with blazing flames and secondly radiates perfect calmness.
Perhaps the allure of this painting by Katharina Ismer can thus explain the suction emanating from their pictures one even wants to move into the branches: The balance of spectacle and endless peace, just like the forest, shows nature par excellence.
As if every picture of hers is a bed being planned, maintained and created on fertile soil and even if it is morning, foggy cool and moist and the viewer can feel the wet, cool feet, so he sees himself surrounded by charm and grace of the most luxuriant gardens.
Preface
Huber & Treff, Jena
Another work section of the oeuvre of Katharina Ismer is accessible with this catalogue.
We have been accompanying her artistic career for several years and are always amazed
about her perspective on the human environment.
Her works are without doubt landscapes. The image inventory gives the impression of the grown or the architectural, eludes localisation and a specific reference to reality, though.
Her “landscapes” are not to be read in the traditional sense of landscape painting work, but rather poetic relationships with diary-like set pieces.
Her early work is determined by nature experiences from her childhood. The landscape is the focus.
Subsequent stays in London, Paris, New York and not least the influence of her chosen home Berlin were introduced in her pictures and became the main subject.
The built-up, populated space is picked up in her painting in bits and pieces and redesigned by grown structures.
The artist is a mediator and seeker, caught between civilisation and nature.
She achieves it through flowing brushwork, elegant mix of techniques, translucent inks, impasto surfaces, reflecting the complexity of the natural experience.
Her high-quality painting and compositional mastery characterise her works.
It is wonderful how Katharina Ismer offers us so much change in perspective for contemplating nature.
We look forward to the coming years of creativity.
Dr. Katrin Arrieta (Rostock & Ahrenshoop)
Zum Katalog Waldstücke Arbeiten 2010-2013
Katharina Ismer – Farbiges Rauschen
Es ist kein ordentlicher Wald, den Katharina Ismers Bilder suggerieren: Aber was ist Ordnung? Wer von Ordnung spricht, meint meistens Überschaubarkeit, ein System, das der Mensch im Griff hat. Kunst geht darüber hinaus. Sie vermag Schritte in noch Ungestaltes zu unternehmen, es erst in den Griff zu bekommen, indem ihm Form erobert wird. Zwar ist das Ordnen in einem geistigen, erfinderischen Sinn, bringt aber nicht von vornherein auch wiedererkennbare Ordnungen hervor, schon gar nicht in Bezug auf einen so präsenten, mit kollektiven Projektionen aller Art aufgeladenen Umweltbereich wie den Wald.
Für Katharina Ismer ist der Wald das Zuhause ihrer Kindheit. Sie ist Tochter eines Landwirts und wuchs im Wald auf. Wenn sie „mein Wald“ sagt, heißt das darum so viel wie: der Ort meiner Spiele, von dem ich herstamme und wo ich bei mir gewesen bin. Dieser Kindheitsort ist vor allem ein erinnerter, auch wenn er an neuen Schauplätzen aufsteigt und mit Motiven angereichert wird. Der Ruf, hereinzukommen in ihren Wald, lässt an Werbung für ein Bühnenstück denken: eine Mischung aus Offenbarung und Camouflage mit den Mitteln der Malerei. Dabei geht es um keine Geschichte mit Wahrheitsgehalt, die zu schildern wäre, um Distanz zu gewinnen. Der Wald steht vielmehr für jene Fiktion, als die Imre Kertész die stets an die Gegenwart des Selbst geknüpfte, der Dynamik des Mythos unterliegende ästhetische Gestalt von Erinnertem ausgemacht hat. Die Tatsachen von einst sind darin ebenso verloren wie eingebrannt, man steht davor wie vor den zugewucherten Trümmern eines anderen Sterns.
Einer der Schauplätze, an denen Katharina Ismers Zwiegespräch mit der Umgebung ihrer Kindheit sich entzündet hat, ist der Darßwald, aber auch andere Waldgebiete nahe der Ostsee, im Küstenvorland und wo sie sonst von Berlin aus hinkommt, waren hierfür geeignet: Wald, den sie als wild erlebt, dem ähnlich, was als Urwald man sich hierzulande vorstellt. Vegetatives Entfalten ist es, was sie malerisch ergründet, eine Freiheitsatmosphäre also, eine Ursprungskonstellation von Kreativität - soweit sie individuell erlebt wird, eng an das eigene Kindsein gebunden, dessen offene Perspektiven sich in dem als unermesslich, aber auch vertraut empfundenen Wachstumsraum der Natur spiegeln. Das ist ein Anspruch in der Tradition der Künstlerkolonien und der aus ihrem Erbe gespeisten expressionistischen Natursicht. Elisabeth von Eickens Waldbilder sprechen davon und nehmen durch ihre mystische Tiefe gefangen. Katharina Ismer gibt dem Wald ein dem verwandtes, aber völlig anderes, sehr zeitgenössisches Erscheinungsbild. Es scheint noch oder wieder Züge eines malerischen Realismus zu enthalten, und doch entstehen keine Landschaftsstücke, die ein dem gemäßes, homogenes Raum- oder Farberlebnis vorführen würden. Stattdessen hat man den Eindruck, dass verschiedene Erlebnisebenen miteinander verschränkt seien zu einer visuellen Inszenierung sinnlicher Totalität, bei der Farben und Linien über das hinaus, was sie für die Augen darstellen, noch eine transitorische Bedeutung außerhalb des Gegenstandes, dem sie unmittelbar unterworfen sind, annehmen. Darauf sich einzulassen, ist umso verlockender, als dieser Gegenstand denkbar in sich verschlungen und fragmentarisch daherkommt, als Vegetabiles im weitesten Sinn, das Dickicht sein kann, Gestrüpp, das Geflecht einer Baumkrone mit Himmelsblick oder auch ein größerer Vegetationszusammenhang mit höhlenartigem Leerraum, der als Lichtung nur mit Vorsicht zu benennen wäre. Man ist eingeführt in eine rauschende Bildwelt, wo es festlich zugeht wie in einer Oper und der rote Faden ähnlich labyrinthische Wege nimmt. Dabei hat jedes einzelne ihrer Bilder eher den Charakter einer Etüde: Im Ergebnis leicht wirkende, aber kompliziert komponierte Gebilde aus autonomen Farbflecken, feinnervigen Linienverläufen und eingefügten Bruchteilen früherer Arbeiten. Diese besonders in den Arbeiten auf Papier vorkommenden collagierten Elemente holen ältere Zeitschichten in die Szene, ihr aufgelöster ästhetischer Status ist eingewoben in das aktuelle Schauen. Bei den Leinwandbildern hingegen liegt oft Älteres unter der obersten Schicht der Malerei, auch dies so eingebunden, dass es ahnbar bleibt, nicht ausgelöscht, sondern gleichsam zurückgestellt hinter das neueste Wagnis des Malens. Worin besteht dieses Wagnis? Offensichtlich darin, dass die fast schon barock anmutende Synthese aufs lockerste gesetzter, ineinander züngelnder Formen die vorher ordnend in ihre Bilder gestreuten, streng geometrischen und reinfarbigen Splitterflächen zu verdrängen im Begriff ist, ohne dass die bildnerische Disziplin darunter leidet, dass das Farbbukett all diese reinen, hellen und leuchtenden Töne in sich aufnimmt und zum Blühen bringt, was noch vor kurzem in schneidendem Formgewand wie eingefroren erschien. Es kann sein, dass dieser Schritt in ein wiederbelebtes Informel ein vorübergehender Befreiungsschlag der Malerin aus Fesseln ist, die der Wettbewerb in der Metropole Berlin ihr anlegt. Die Besinnung auf den Wald als Sphäre einer möglichen Katharsis wäre in einem solchen Kontext nicht neu. Doch eben darum geht es am Ende nicht. Zwar muss nach vorne sehen, wer sich vor Verlust schützen will, doch scheint das Kostbarste nicht selten das Älteste zu sein, wohin man zurückgehen kann, und diese Freiheit sich zu erarbeiten das Schwerste.
Katrin Arrieta
Jens Semrau
Natur – Malerei – Gegenwart. Annäherung an die Bildsprache von Katharina Ismer
Zum Katalog Waldstücke Arbeiten 2010-2013
Natur – Malerei – Gegenwart. Annäherung an die Bildsprache von Katharina Ismer
Jens Semrau, 2013
Die Malerei von Katharina Ismer erscheint mir bildhaft, was heißen soll: es geht um keine andere Bedeutsamkeit als die des Anschaulichen im Bildgeviert. Das Bildhafte und die Realität haben miteinander zu tun, was nicht selbstverständlich ist – es gibt einen quasi natürlichen poetischen Zusammenhang, allerdings keinerlei Realismus, keine direkten Wirklichkeitsbezüge, aber zweifellos eine Hinwendung zur Natur oder Natürlichkeit, allerdings nicht in einem traditionellen Sinn. Man kann die Grundstimmung vielleicht sogar thematisch als ländliche Einfachheit deuten, obwohl ein solches Thema zu sehr an die traditionelle Landschaftsmalerei erinnert, mit der die Bilder wenig zu tun haben. Diese Malerei erscheint mir jung, weil sie ohne den Ausdruck von Weltschmerz ist, ohne die Gebrochenheit in Farben und Stimmungen, die in meiner Generation als Kultiviertheit empfunden wurde, oder als eine Möglichkeit der Wahrhaftigkeit. Die Generation von Katharina Ismer hat andere Ziele, andere Farben, andere Strukturen, andere Kunstvorstellungen und Gesinnungen. Jüngere drücken sich anders aus und wollen etwas Neues, etwas Anderes, was manchmal unverständlich wirkt oder wirken soll.
Katharina Ismer besitzt einen ursprünglichen Impuls zur Malerei.. Ursprünglich ist ganz gewiß der malerische Fluß und die zeichnerische Motorik, ein bewegter Duktus, der durchgängig die Bilder prägt und trägt und der wahrscheinlich von anfang an da war. Es ist eine vielfältige Bewegtheit ohne Ausrichtung, eine quasi stehende, in sich verschlungene Bewegung mit spontanen, manchmal ruppigen-wilden Umbrüchen des Verlaufs und der Richtung. Brechungen gibt es also auch hier, gelegentlich auch eine gewisse Melancholie, was wie gesagt für meine Generation nahe lag. Vielleicht daher wird mir das Verstehen, die Sympathie leicht. Trotzdem wirken die Bilder neu oder jung, das macht für meine Empfindung das Ruppige im Duktus und die Farbenstimmung, teils zarte pastellartig aufgehellte Farben oder teils eine satte Farbigkeit bei monochromen Flächenfacetten, die mir wie Plaste- oder Aluminiumfarben vorkommen, weil die entsprechenden Flächen eine merkwürdig technoide Anmutung haben, wie ich es ähnlich auch bei andern jüngeren Malern gefunden habe. Die geometrisch klaren und monochrom ruhigen Flächen geben den Bildern Stabilität und schaffen oft eine räumliche Situation, ohne das es sozusagen prosaisch eindeutig wird. Auch diese Flächen sind zu allererst Form-Momente, Elemente der Bildsprache. Manchmal sind es Dreiecke oder unegale Flächen, Bänder, Streifen, die collagenhaft zusammentreffen und den ruppigen Duktus überlagern bzw von diesem überwuchert sind. Diese beiden Strukturmomente – der organoide bewegte Duktus und das Facettenhafte der Flächen und Bänder – beide bilden selbständig jeweils ein Bildgerüst, das gegen das andere und mit ihm zusammen einen offenen lebendigen Bildorganismus ausmacht. Dabei entstehen mitunter Räume oder Raumfragmente, die wiederum verunklärt werden. Eine Situation der Einfühlung ins Konkrete im Sinne etwa eines Landschaftsporträts soll gar nicht erst aufkommen, scheint mir. Zweifellos hat diese Malerei viel mit Empfindung, mit Stimmung, mit Wahrnehmung zu tun - man merkt den Bildern an, das sie ihren bestimmten Ausdruck auch durch die Emotion haben, die vielleicht sogar der Grund für die Entstehung der Bilder ist, und dass die Bilder daher authentisch sind. Aber die Malerin läßt sich dadurch nicht abbringen vom eigenen Konzept und Duktus, sie vertraut dem und sie tut gut daran. Wenn ich richtig verstanden habe, was sich mir bei meinen Atelierbesuchen und unseren Gesprächen mitteilte, sind die Bilder nicht konzeptuell gemeint und gemacht, sondern durchaus Resultat des mitunter langwierigen Arbeitsprozesses und der offen bleibenden Suche nach einer stimmigen Form. Mehr oder weniger bewußt angestrebt wird eine Farbigkeit und Formensprache, durch die das heutige Zeitgefühl ausgedrückt wird. Der Arbeitsprozess ist wohl irgendwie immer auch ein Selbstläufer, den zu bändigen – zu strukturieren Mittel der Verfremdung eingesetzt werden, deren Wirkung auf eine schroffe oder befremdende Weise ankommen kann und die dem Zeitgeist zu entsprechen scheint. – Den Zeitgeist empfindet man gern als befremdlich. – Es wäre aber ein Mißverständnis, Katharina Ismer als Protagonistin des Heutigen und des Zeitgeistes zu betrachten. Ihre Bilder sind natürlich von der Gegenwart geprägt, aber ihr Interesse und ihre bildnerische Emotion im Sinne einer Hinwendung zur Natur sind wiederum auch als eine Zeitabgewandtheit zu verstehen. Ihre bildnerischen Metaphern reden nirgndwo von Heutigem, sie sind aber doch von heute. Die Eigenart dieser Poetik scheint mir eine Art Indifferenz zwischen Gegenwart, Kunst, Natur, eine traumwandlerische Indifferenz, insofern etwas gemeint ist, was nicht an- und ausgesprochen, aber vorausgesetzt wird: Es geht sowohl um Natur wie um Malerei, wie um Gegenwart. Die Malerin baut da auch auf den Eigenwillen des Bildes. Auf Zweideutigkeiten angesprochen, also etwa auf die sogenannte unfreiwillige Assoziation, bekannte sie sich zum Traum von ihrem Bild, so nannte sie es. Die Märchenwelt bei E.T.A. Hoffmann kam mir in den Sinn, wo man auch nicht sicher ist, in welcher Welt die Musik spielt und die Handlung sich bewegt. Dort ist es die Welt der Literatur, wie hier die der Malerei, die beide jeweils vom Vertrauen auf die natürliche Dunkelheit des Poetischen leben. Auf jeden Fall entsteht der poetische Gedanke hier durch das Bild und die Malerei, nicht umgekehrt, nicht als Illustration einer Idee. Auch der Gegenwartscharakter ist nur glaubhaft, weil er keine vorsätzliche Botschaft ist, sondern sich eher visuell erahnen läßt. – Man hat bei manchen Bildern den Eindruck einer tastenden Strukturierung. Etwa beim Bild „Im Gebüsch“ sind Linien wie Mikadostäbe über gestrüppartige Wucherungen gelegt – wie auf der Suche nach Richtungsansätzen, nach einer Struktur. Dennoch ist eine Bildordnung vorhanden, die durch die Gewichte auf der Fläche hergestellt wird, was sicherlich aus dem Bauch heraus gesteuert ist. Das hat sozusagen Methode, aber diese Malerei erscheint mir nicht methodenbewußt oder methodendemonstrativ, wobei im Bild noch eine Theorie demonstriert würde. Die frühen Avantgardisten entwickelten ein eigenes ‚System’ der Abstraktion, sie rechtfertigten sich durch einen ‚Stil’. Das hat oft eine Angestrengtheit der Sprache zur Folge. Heute ist Stil im methodischen Sinne unnötig, glaube ich. Was den Kunstausdruck wirklich rechtfertigt, ist seine Selbstverständlichkeit. Man sieht, wenn man sich Zeit lässt, ob die bildnerischen Erfindungen Sinn machen und mit der Ordnung der Welt etwas zu tun haben. Man hat es mit bildnerischen Erfindungen zu tun: mit der Erfindung von Räumen, von Landschaft, von Figuration, auch von Symbolen, denn Duktus und Struktur haben einen Charakter und Ausdruck, der über das Strukturelle hinaus ins Symbolische weist.
Carolyn Heinz zur Ausstellung Grünzone, Hamburg 2008
August 2008
Grünzone
Bedeutende Malerei erschließt die Welt. In Katharina Ismers Bildern ist es eines der zentralen Themen der Moderne, die Spannung zwischen Zivilisation und Natur, die den Prozess der malerischen Gestaltung vorantreibt.
Einerseits fügen sich in ihren Bildern strenge geometrische Formen zu einer tragenden Struktur zusammen, andererseits gerät dieses Gefüge dadurch in Bewegung, dass ein Gewirr verzweigter, naturhaft wuchernder Linien sich an die Struktur anheftet, sie überlagert oder in sie eindringt. Der Exaktheit der Konstruktion wird die freie malerische Geste entgegengestellt. Das Spiel der Gegensätze setzt sich im Inneren der Extreme fort. Wenn die das Bild zusammenhaltenden Strukturen an aufeinander getürmte Bauelemente, oft an ganze architektonische Komplexe erinnern, so wird dies durch den großen Reichtum von (oft leichten) Farben, in denen die Elemente erscheinen, wieder dementiert. Das Technische der Konstruktion verwandelt sich in eine ortlos schwebende Phantasiearchitektur.
Auf der anderen Seite verweigert sich das organisch wuchernde Liniengewirr der Vielfarbigkeit der Natur. Bisweilen weist es eine einheitlich grüne oder blaue Tönung auf, bisweilen ist seine Erscheinung dunkel bis hinein ins Schwarze. Auf diese Weise gewinnt der tragende Gegensatz eine immer neue Ausdeutung.
Wenn das System geometrischer Strukturen auf ein gestisch wucherndes, vegetabiles Geflecht trifft, kann dies einen eher harmonisch-romantisierenden, ebenso aber auch einen düster-morbiden, fast apokalyptischen Charakter annehmen – ganz unterschiedlich geht das Kräftemessen zwischen diesen beiden Polen aus.
Erinnerungsspuren sind in den Bildern zu entdecken, darauf verweisen auch ihre Titel. Aber es geht nicht um eine reine Wiedergabe der unmittelbaren Eindrücke. Das Sichtbare muss aufgelöst, eine neue, eigene bildnerische Realität geschaffen werden. So dri ngen die Bilder von Katharina Ismer in die an der Oberfläche nicht sichtbaren wesentlichen Bedeutungen unserer Lebensräume ein.Carolyn Heinz
Edzard Brahms zur Ausstellung Waldstadt, Berlin 2008
August 2008
Waldstadt
Der Titel der neuen Ausstellung von Katharina Ismer fasst in einem Wort die beiden Themenfelder zusammen, welche die Künstlerin in ihren Malereien zusammenfügt: Wald und Stadt, Natur und Architektur, das Wilde, Ungezähmte und das von Menschenhand erschaffene. Organische Strukturen überlagern die geometrischen Formen der Stadt. Immer wieder liefern
ihre Bilder neue und unterschiedliche Blickwinkel auf den urbanen Raum in seinem Verhältnis zur Natur.
Mal dominiert die tiefe Perspektive dreidimensionaler Körper, überwuchert von wilden Zweigen wie in „Betongarten“, mal verschwimmt die Tiefe des Stadtraums in der Zweidimensionalität von farbigen Flächen, mit denen Ranken und Äste harmonisch verschmelzen wie in „Bordstein“. Immer wieder neu muss der Betrachter dieses Spannungsfeld entschlüsseln, immer wieder neu das Verhältnis zwischen Wald und Stadt bewerten. Die Auseinandersetzung Katharina Ismers mit diesem Themenbereich ist auch eine biographische. Aufgewachsen in einer ländlichen Gegend in einem Haus mitten im Wald bestimmte die Landschaft ihr Frühwerk. Angeregt durch längere Aufenthalte in London, Paris und New York und nicht zuletzt durch den Einfluss ihrer Wahlheimat Berlin erweiterte sich ihr Werk zunehmend auf das Thema Großstadt. Die inhaltliche Spannung zwischen Natur und Stadt, die ihre aktuellen Arbeiten dominiert, fließt auch in den Arbeitsprozess und die Materialität der Bilder ein. Der Dualismus auf inhaltlicher Ebene spiegelt sich in der Materialität der Arbeiten wieder: Kräftige Braun-und Grüntöne treffen auf helle klare Farben, pastose Farbflächen auf schwungvolles Geäst einzelner Pinselstriche. Farbige, transluzente Tusche besteht neben der fast haptischen Dichte von Öl-und Acrylfarbe. Den Werken zugrunde liegt eine festgelegte, geometrische Grundstruktur, a uf die dynamisch in gestischer Malerei Formen aus der Pflanzenwelt aufgetragen werden, gleich einer impulsiven Natur, die sich in geordneten, festen Strukturen ihren Platz sucht und sich dort behauptet.Edzard Brahms.
Dr. Christian Malycha
Sentiment & Geometrie Katalogtext Draußen vor dem Fenster 2007
+ Englisch Version
Sentiment & Geometrie
Um auf einem Bild bestehen zu können, muss die Erscheinung einer Landschaft malerisch ’entwurzelt’ werden. Auf der Grenze von Anschauung und Erinnerung muss sie wiedererschaffen und zu etwas bildnerisch Gegenwärtigem gewandelt werden. Auf dieser Grenze bewegt sich Katharina Ismer. Malend durchmisst sie ihre Wahrnehmungen – flüchtige Lichtsituationen, die Stimmung eines Tages oder Ortes, die Farben der Jahreszeiten – und lässt sich von Zeit und Gedanken wie in einem Tagebuch tragen.
Ihre Empfindungslandschaften erscheinen als facettierte Farbkompartimente und gleitende Farbbänder. Harsch prallen gestisches Gespür und strukturale Härte aufeinander, die Tektonik wird mit floral verzogenem Farbvortrag überspannt. Katharina Ismers Strich wiegt sich wie das Blattwerk, durch welches man in CHAMBER auf einen ockern aufgezogenen Himmel blickt. Die aufgerauten Farbmassen lichten sich und selbst die Schatten leuchten still. Dem milden Flächenlicht ist ein undurchsichtiges, bläulich weißes Rechteck vorgeblendet, welches den Blick noch sanfter vergehen lässt. Die blockhaften Flächen auf ZWEI WANDERER in Türkis und Flieder sowie die gelben Bänder werden hingegen transparent und von violetten Hügeln oder Wurzeln, rosaockernen Wolken und blauen Himmelsfetzen komplementär gehalten, während die beiden Bäume dicht und gewunden aufragen. Katharina Ismers Bildwelten sind fragil aufgefaltete Landschaftsfolien, vor welchen sich ausladende Formationen auf ZEIT NACH WEIHNACHTEN verästeln oder in AMAZONAS ornamental verwirbeln. Architektur und Botanik schließen sich dabei keineswegs aus. Die Gegensätze von WALD-STADT zerfasern und bringen einander dennoch wechselseitig hervor. Gleißend schweben die Bildgründe auf HIMMELSLEITER oder FONTAINEBELAU zwischen konstruktiven Flächen und organisch filigranen Strichlagen, die sich flächig, bisweilen auch straff rhythmisiert ineinander schieben. In CUBICLES hat Katharina Ismer mit kurzen Aufstrichen ein direkt aus dem gestischen Malvorgang gewonnenes Landschaftsloch in das asymmetrische Strukturfeld gerissen. Die Gründe verwischen in bewegtem Farbvollzug und die ortlosen Perspektivbänder umschließen die Figurationen. Einblick gibt dieses Panorama in die Bildlandschaft: Naturhaft muss sie aus der Farbe selbst empfunden sein.
Ein Bild wie DRAUSSEN VOR DEM FENSTER hält geradezu diesen empfundenen Bruch von Natur und Bildwirklichkeit offen. Die stehengelassenen Malspuren im Bildinnenraum künden vom langwierigen Prozess, die Farbe wuchern oder sich prismatisch sammeln zu lassen. Empfinden und Malakt fallen in Eins, ohne dass Katharina Ismer zu allzu einfachen Antworten gelangte. Heißt das Bild auch DRAUSSEN VOR DEM FENSTER, drinnen auf dem Bild muss man zu sehen zunächst erst lernen, bis mit einem Mal eine malerische Welt vor Augen steht: Unähnlich, doch unmittelbar voll Sentiment und Geometrie aus der Farbe empfunden. Christian Malycha September 2007
Sentiment & Geometry
In order to withstand upon a painting the appearance of any landscape has painterly to be ’disinterred’. It has to be re-created and transformed into something pictorially present upon the boundary of contemplation and remembrance. It is upon this threshold that Katharina Ismer situates herself. Painting she gauges her perceptions – fleeting situations of light, the mood of a day or place, the seasonal colours – and she lets time and thoughts carry her away like in a diary.
Her landscapes of sensitivity appear as facetted colour compartments and gliding bands of colour. The feel for harsh gestures and structural force collide. Tectonics are spanned with a florally bent colour flow. Katharina Ismer’s strokes sway like the foliage through which one glances at the wide ochre sky in chamber. Roughened colour masses thin out and shadows shine calmly. Mild planar light is faced by an opaque bluish white rectangle that lets the view fade even more tenderly. Opposed to this block-like planes in turquoise and lilac as well as the yellow colour bands on zwei wanderer become transparent and are complementarily held by violet hills or roots, pink ochre clouds and blue sky-tatters, while the two trees densely and tortuously jut. | Zwei Wanderer 2007 Öl / Tusche auf Nessel
130 x 120 cm
Katharina Ismer’s pictorial worlds are foils of landscape fragilely unfolded. In front of them, broad formations branch out like on zeit nach weihnachten or swirl ornamentally in amazonas. Herein, architecture and botany do not exclude each other. In wald-stadt their conflict frays as they mutually produce each other. Gleamingly planes hover on himmelsleiter or fontainebleau in the midst of constructive grids and organically filigree layers of strokes which merge into one another – in a planar and at times strictly rhythmic manner. With short upstrokes Katharina Ismer rips a vast cavity of landscape into the asymmetrical structure-field of cubicles. In direct response to the gestural act of painting, figurations thus become enveloped in blurring or agitatedly enforced colours and dislocated perspective bands. A panoramatic insight into the pictorial landscape which has nature-like to be felt out of colour itself. A picture such as draussen vor dem fenster maintains this sensory crack-up between nature and pictorial reality. Traces of painting are randomly exposed within the picture’s interior. They bear witness to the laborious process of letting colour grow rampantly or gather prismatically. Sensitivity and the act of painting fall into one without Katharina Ismer formulating all too simple answers. Even if the picture is called draussen vor dem fenster, one has to learn to see inside the painting at first, until all of a sudden a painterly world reveals itself to one’s eyes: Dissimilar but immediately full of sentiment and geometry, felt out of colour itself. Christian Malycha
Ana Finel Honigmann Villa Grisebach, Berlin 2007
Englisch
Hotbed Berlin
Berlin is now Europe's hottest art city - an affordable and liveable place that enables artists to produce and present some of the most challenging work to be seen anywhere. Their art is often challenging, impolite and arresting. So it is no surprise that clashes between order and chaos are a common theme in many of the exhibitions currently on view.
The first such sighting is in a joint show at the Villa Grisebach Gallery, where Alvar Beyer and Katharina Ismer create geometric abstractions that compliment and contrast with each other. While Beyer paints architectural, structured, yet softened shapes that evoke urban structures and 1970's patterned design, Ismer crafts complex nature scenes of free-floating lush, leafy branches and piles of kindling, interspersed with patches of solid, bold, synthetic color. Ismer's intent is plainly to combine forms from architecture, interior design and nature, but in her images the standing trees and stacks of cut wood often override her references to man-made structures. Strikingly, the forms in the Diepholz-born painter's images become more apparent and interesting in close proximity to Beyer's color-fields, while the strict design, clean lines and cool colors in the Weimar-born Beyer's paintings calm the implication of chaos and the gestural feel of Ismer's dense, clashing constellations of forms and color.
For example, Fontainebleau, a 2006 painting by Ismer, at first presents a straightforward, simplified depiction of trees growing along the side of a concrete road. At closer examination it exposes the whimsical illogic of the image. The trees are not planted by the grey zig-zagging pattern but on it. One of the trees seems even to be sprouting from behind or from within a tilted turquoise square, which could be read as sky, but in its actual position adds a surrealistic element of mystery to the scene. Where Ismer's abstraction expresses the cluttered conflict between man and nature, Beyer cleans it all. Beyer, who doesn't attempt to ground his forms in any obvious worldly reference point, might not play with the laws of gravity or the logic of nature so blatantly, but his light colors and the soft perimeters of his forms add a joyful aspect of randomness to the paintings' otherwise precise geometry. Beyer's 2005 ArchitekturI consists of lines of color - black, grey, peach, and tangerine - streaking across an all-pale cream colored canvas like a highway. Ana Finel Honigman
12. January 2007
Petra Lemkuhl , Berlin 2003
August 2003
Die beiden Tiere
„Ich komm ganz langsam über dichIch komm ganz langsam über dich
so als hättest
im Traum ein Picknick.
Es werden keine Ameisen dasein.
Es wird nicht regnen.“ Richard Brautigan
Seit ihren Reisen nach Paris und New York ist zunehmend die Großstadt Thema in Katharina Ismers Arbeiten geworden. Hatte früher die Natur ihre Bilder dominiert, so hetzt sie nun diese beiden Tiere aufeinander. Doch ist dies kein wilder Kampf, es ist ein ruhiges, ehrliches Kräftemessen.In „Große Eiche" (165 x 200 cm, 2004) bildet ein vielfarbiges Raster aus verschieden breiten Streben den Grund. Auf diesem Raster erstrecken sich spielerische Linien und Flächen, die ebenfalls miteinander in Verbindung zu treten scheinen. Auf dieser zweiten Ebene herrschen die warmen Töne vor. Wir finden hauptsächlich ein Braun; dann noch Abwandlungen von rostrot bis grün. Der Untergrund, die erste Ebene beinhaltet Farben wie rosa, blau,
türkis...Dieser Untergrund, der sich sehr flächig präsentiert, erweckt doch den Anschein einer Häuserfassade, riesige Hochhäuser, die sich über das Bild erstrecken. Die amorphen Formen, die sich darauf breit machen, lassen sich aber nicht einschüchtern; fröhlich verästeln sich die Linien in alle Richtungen und erzeugen so den Anschein von Tiefe.Der Titel deutet daraufhin, dass hier eine Eiche dargestellt ist. Die Stärke, die man diesem Baum zuordnet, wird dem Betrachter in diesem Bild demonstriert. Wir schauen in die Lebendigkeit des Baumes und ehe wir uns versehen, ist diese Stadt hinter ihm verschwunden.„Büsche und Häuser“, 2004 irritiert auf den ersten Blick. Ist es denn auch Richtig herum? Da stehen diese monumentalen Quader auf den filigranen Linien, die auch nur zu schweben scheinen. Aber es ist ein Spiel; der untere Teil der Häuserfronten ist nur verdeckt von den Sträuchern und Bäumen und erstreckt sich über die Elemente der Natur hinaus. Diese Begegnung wirkt freundlich, denn die Fassaden haben die Farbigkeit der Äste angenommen; sie sind grün und braun. Die obere und die untere Bildhälfte treffen sich genau in der Mitte; das Kräfteverhältnis ist ausgeglichen. Die Gegensätze scheinen fast ineinander überzugehen. Es ist als würde die Stadt mit ihren Bäumen schlafen. Petra Lehmkuhl
Spaziergänge
Bilder 2018 - 2022
Der Katalog erschien anlässlich der Ausstellung:
Katharina Ismer - Spaziergänge
Friedenskirche Köln Mülheim, 2022.
Gefördert von der Evangelische Kirchgemeinde Mülheim am Rhein;
Galerie Brennwald, Kiel;
Brennwald Design, Kiel;
Kunsthaus Klüber, Weinheim.
48 Seiten und 34 Abbildungen
mit einem Text von
Herrn Dr. Rainer Beßling
10 Euro & Versand
Ströher Bilder 2017
Werkkatalog
Der Katalog wurde ermöglicht durch den Kunstverein Centre Bagatelle e.V., Berlin.
18 Seiten 5 Euro & Versand
Der Wald Vor Lauter Bäumen
Der Katalog erschien anlässlich der Ausstellung:
Katharina Ismer -Flora
Künstlerhaus Göttingen, 2016
Der Katalog wurde ermöglicht durch das Künstlerhaus Göttingen und Galerie Huber&Treff, Jena.
48 Seiten und 41 Abbildungen mit Texten von Petra Lehmkuhl, Berlin und Galerie Huber&Treff, Jena.
10 Euro & Versand
Waldstücke
Der Katalog erschien anlässlich der Ausstellung:
Katharina Ismer - Komm in meinen Wald
Kunstmuseum Ahrenshoop zu Gast im Fischlandhaus, 2013
40 Seiten und 24 Abbildungen
Mit Texten von Dr Katrin Arrietta
und Jena Semrau
10 Euro & Versand